Von der Tsinghua an die RWTH Aachen - als Austauschstudentin in der Exzellenzcluster-Forschung
Yun Gong (24) ist in Shanghai aufgewachsen, zog aber nach Peking, um Wirtschaftsingenieurwesen an der renommierten Tsinghua Universität zu studieren. Sie studiert nun im Masterstudium Human Computer Interaction und hat sich entschlossen, als Austauschstudentin nach Aachen zu kommen. Während ihres sechsmonatigen Aufenthalts arbeitet Yun Gong als studentische Hilfskraft an einem Exzellenzcluster-Projekt am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) und schreibt gleichzeitig an ihrer Masterarbeit.
Warum haben Sie sich entschieden nach Aachen zu kommen und hier ihre Masterarbeit zu schreiben?
YG: Ich hörte von der RWTH Aachen das erste Mal in einem Gespräch mit einem Studienkollegen meiner Heimatuniversität, der die RWTH Aachen mit der Tsinghua Universität verglich. Die RWTH Aachen ist als die „deutsche Tsinghua“ bekannt. Dieser Vergleich beeinflusste meinen ersten Eindruck von der RWTH Aachen und weckte mein Interesse, aber auch viele Fragen: Warum ist Deutschland seit Jahrzehnten eine führende Kraft in der Fertigungsindustrie? Warum ist „Made in Germany“ ein Qualitätssiegel? Ich dachte, die RWTH Aachen sei der richtige Ort, um diesen Fragen nachzugehen. Danach wurde ich Tutorin für eine Gruppe von Aachener Studierenden, die durch das "Double-Degree"-Programm zwischen unseren Universitäten an der Tsinghua waren. Ich hatte eine wunderbare Zeit mit ihnen, da sie freundliche und interessante Menschen waren und besonders ihr fundiertes Wissen, ihre Fähigkeiten, ihre Kreativität und ihre Einstellung gegenüber technischen Problemen hat mich beeindruckt. Dies ermutigte mich, an dem Austauschprogramm mit der RWTH Aachen teilzunehmen.
An welchem Forschungsprojekt arbeiten Sie mit und was sind ihre Aufgaben?
YG: Ich arbeite im Exzellenzcluster-Projektbereich Selbstoptimierende Produktionsprozesse an der Entwicklung eines flexiblen Prüfsystems. Das Ziel dieses Systems ist es, das Verhalten von Testpersonen in einem zunehmend komplexen und dynamischen Wettbewerbsumfeld zu simulieren, das sich infolge von veränderten Produktanforderungen (wie verkürzten Produktlebenszyklen, höherer Produktkomplexität und dem Kundenwunsch nach Individualisierung) stetig wandelt. Meine Hauptaufgabe ist es, das System dahingehend zu trainieren, dass es automatisch potentielle Testfunktionen (wie Schaltflächen) durch „Computer Vision“-Techniken erkennt. Außerdem erforsche ich die Auswirkungen von verschiedenen kritischen Faktoren, um die Genauigkeit und Effizienz des Systems zu verbessern.
Was fasziniert Sie an diesem Projekt?
YG: Es ist faszinierend, dass ich einem Roboter buchstäblich beibringe, seine Umwelt zu verstehen. Ich bin wie eine Kindergärtnerin, die dem Roboter sagt „Das ist ein Schaltknopf“. Und dieser Roboter, der über viele verschiedene Funktionen verfügt, wird zu einem autodidaktischen, zuverlässigen Helfer in der Produktionslinie. Das ist die Zukunft der Fertigung und der künstlichen Intelligenz.
In welcher Weise ist dieses Forschungsprojekt wichtig für die Zukunft der Produktion in Hochlohnländern?
YG: Es besteht eine zunehmende Nachfrage in Hochlohnmärkten für individuell angepasste Produkte. Dies stellt eine besondere Herausforderung für den Produktionsprozess und insbesondere die Qualitätssicherung dar. Ein Produktionsprozess, in den ein selbstoptimierendes, kontextbewusstes System integriert ist, ermöglicht es, diese Nachfrage zu bedienen – und hier setzt das Forschungsprojekt an.
Was ist der größte Unterschied zwischen der Tsinghua Universität und der RWTH Aachen?
YG: Die RWTH Aachen bietet ein erstklassiges Umfeld für internationale Forscher: Es bestehen gute Finanzierungsmöglichkeiten, Forschungskosten werden unterstützt und die Bewerbung erfordert einen minimalen Aufwand. Dass jeder gut Englisch spricht, erleichtert die Kommunikation erheblich. Die Arbeitszeit ist recht flexibel. Außerdem ist es großartig, ein professionelles IT-Team zu haben, das Unterstützung bei Computerproblemen bietet – und die Kaffeeversorgung ist natürlich auch hilfreich bei der Arbeit. Im Gegensatz zu Peking ist Aachen nicht so groß und überfüllt. Ich genieße es wirklich in Aachen zu leben.
Was gefällt Ihnen am Leben in Deutschland?
YG: Ich mag an Deutschland, dass jeder, der hier lebt, wirklich wählen kann wie er das eigene Leben führen will. Egal, welchen Beruf man ergreifen will, wo man leben möchte, welche Interessen man hat, ob man eine offene oder schüchterne Person ist, solange man sich bemüht und mutig ist, die eigenen Ziele zu verfolgen, besteht immer die Möglichkeit zum Glücklichsein. Das Leben hier belohnt fleißige und ehrliche Menschen.
Wie sehen ihre Zukunftspläne aus?
YG: Zunächst möchte ich mein Masterstudium an der Tsinghua Universität abschließen und dann möchte ich mich nach Beschäftigungsmöglichkeiten in Deutschland umschauen.
Vielen Dank, Yun Gong, für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft!