Überbetrieblicher Material- und Informationsfluss / Logistikdemonstrator

  Logistikdemonstrator Urheberrecht: © Foto: Thilo Vogel

Ein Mangel an Konnektivität unterschiedlicher Lösungen behindert oft den Weg zu einer effizienten Wertschöpfung in Produktions- und Logistiknetzwerken, da nicht alle benötigten Informationen in ausreichender Qualität rechtzeitig zur Verfügung stehen. Das FIR an der RWTH Aachen forscht intensiv an der Optimierung der Logistikleistung produzierender Unternehmen durch die Anwendung innovativer Konzepte und Lösungen in Logistik und IT. Im Rahmen des RWTH Aachen Cluster of Excellence arbeitet das FIR gemeinsam mit Produktions- und Dienstleistungsunternehmen, Verbänden und Softwarehäusern an neuen Lösungen zur weiteren Verbesserung der Logistikleistung. Aus diesem Grund forschen im Campus-Cluster Logistik Hochschule und Industrie gemeinsam an der Entwicklung neuer Konzepte für Produktion, Logistik und Dienstleistungen. Ziel des vom FIR an der RWTH Aachen koordinierten Campus-Cluster Logistik ist es, immer komplexere logistische Zusammenhänge und Konzepte in realen Produktions- und IT-Umgebungen greifbar und erforschbar zu machen. Das Campus-Cluster Logistik bietet eine Entwicklungs- und Testumgebung, um die komplexen Zusammenhänge in der Logistik zu entschlüsseln und sie schließlich in einer realen Produktions- und IT-Umgebung zu veranschaulichen.

Mittelpunkt des RWTH Aachen Campus-Clusters Logistik sind die drei im Cluster of Excellence verwendeten Innovationslabore: Das ERP Innovation Lab, das Smart-Objects lnnovation Lab und das Service Science lnnovation Lab.

 

Praxisproblem

Logistik Urheberrecht: © Exzellenzcluster Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer

Produzierende Unternehmen müssen Prozesse der Produktionsplanung und Auftragsabwicklung effizient gestalten, stehen aber gleichzeitig vor Herausforderungen wie mangelnder Datenverfügbarkeit, geringer Informationstransparenz und unzureichender bzw. fehlender Integration der Informationssysteme. Aufgrund dessen können die Supply-Chain-Akteure nur ihre „lokalen“ Prozesse überschauen und sehen dabei nicht das Gesamtbild, das wirtschaftlich gesehen zu günstigeren Entscheidungen führen kann. Die Betrachtung der horizontalen und vertikalen Integration ist daher von enormer Bedeutung. Unter vertikaler Integration (innerbetrieblich) wird die Harmonisierung und Integration der unternehmensinternen Informationstechnologien von der automatisierten Erfassung hochauflösender Bewegungsdaten (z. B. durch RFID) bis zur Nutzung dieser Daten in höher gelagerten Planungs- und Steuerungssystemen (z. B. Manufacturing Execution System, kurz MES) verstanden. Unter horizontaler Integration (überbetrieblich) wird ein unternehmensübergreifender Austausch relevanter Informationen entlang der Lieferkette verstanden. Sie befähigt Unternehmen, reibungslos elektronische Nachrichten wie Bestellungen, Bestellbestätigungen, Lieferavisen etc. papierlos und ohne großen Zeitverzug auszutauschen. Gleichzeitig ermöglicht die horizontale Integration, logistische Kooperationskonzepte wie das Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment (CPFR) effizient einzusetzen und so die Gefahr von sich aufschaukelnden Beständen und Bestellmengen (der sogenannte Bullwhip-Effekt) deutlich zu verringern. Gerade im überbetrieblichen Kontext kommen die Vorteile des Electronic Product Code Information Service (EPCIS) zum Tragen. Insbesondere durch das Zusammenspiel von EDI und EPCIS können Optimierungspotenziale in überbetrieblichen Produktions- und Lieferantennetzwerken realisiert werden. Das Zusammenspiel von vertikaler und horizontaler Integration bietet eine stabile Basis für flexible Lieferketten. Reaktionsfähigkeit eröffnet die Möglichkeit zur gezielten Kosteneinsparung durch transparente Prozessgestaltung. Kostenintensive Bereiche, wie z. B. Lagerbestände, können identifiziert und nachhaltig verbessert werden. Auf dem Weg zu einer reaktionsfähigen und nachhaltigen Lieferkette muss als Voraussetzung die Echtzeitfähigkeit der Systeme und der Kommunikation zwischen den Systemen geschaffen werden. Echtzeitfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit eines Systems, innerhalb eines festgeschriebenen Zeitfensters, eine benötigte Information zur Verfügung zu stellen und diese verarbeiten zu
können.

 

Lösungsidee

Logistik Demonstrator Urheberrecht: © Exzellenzcluster Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer

Ein im Rahmen des CoE gemeinsam mit Partnern des RWTH Aachen Campus-Clusters Logistik entwickelter Logistik-Demonstrator veranschaulicht die Möglichkeiten und Potenziale horizontaler und vertikaler Integration. Ziel des Demonstrators ist es, komplexe Zusammenhänge in der Logistik erlebbar und Potenziale der vertikalen und horizontalen Integration begreifbar zu machen. Der Logistik-Demonstrator bildet dabei wesentliche Schritte der Auftragsabwicklung ab. Durch die gegebene Transparenz können verschiedene Szenarien getestet werden und alle Effekte einer Veränderung offengelegt werden. So können alle Glieder der Lieferkette lernen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf die gesamte Supply Chain haben und wie sie diese optimieren können. Trotz der unterschiedlichen ERP-Systeme entlang der Lieferkette kann die Auftragsabwicklung reibungslos über den Standard „myOpenFactory®“ durchgeführt werden. Die Arbeit mit echter Software und Hardware macht den Logistik-Demonstrator einzigartig im Vergleich zu anderen Demonstratoren, die in der Regel nur mit virtuellen Simulationen arbeiten. Eine Rückverfolgung der Materialströme ist über den Einsatz von RFID-Tags auf Artikelebene jederzeit möglich. Dazu nutzt der Logistik-Demonstrator GS1-Standards. So wird einer in der realen Welt auftretenden Herausforderung - der weltweit überschneidungsfreien Identifizierbarkeit - Rechnung getragen. Die vom Lieferanten versandten USB-Stick-Rohlinge werden mit einem standardisierten Versandetikett und dem Serial Shipping Container Code (SSCC) auf Verpackungsebene ausgezeichnet. Nach automatisierter Vereinnahmung beim Produzenten und Abgleich mit dem im Vorfeld elektronisch versandten Lieferavis werden die Rohlinge mit lasergraviertem Schriftzug sowie mit spezifischen Dokumenten auf dem Stick kundenindividuell veredelt. Die Einzelprodukte werden vom Produzenten in diesem konkreten Beispiel mit einer serialisierten Artikelnummer ausgestattet, die das Produkt im weiteren Prozessablauf eindeutig identifiziert. Diese sowohl auf einem RFID-Tag als auch in einem GS1-Data-Matrix hinterlegten serialisierten Idente ermöglichen eine eindeutige Zuordnung und Rückverfolgbarkeit der Produkte und Sendungseinheiten.

So können beim Händler diese Idente genutzt werden, um Bestellungen mit Lieferungen abzugleichen sowie unter Zuhilfenahme von Pick-by-Voice-Lösungen die Ein- und Auslagerung zu unterstützen. Der Demonstrator zeigt, wie Prozesse deutlich effizienter gestaltet werden können. Dadurch können Unternehmen schneller auf Informationen zugreifen und somit auf Probleme wie einen drohenden Lieferverzug reagieren. Auswirkungen einer 20 % höheren Bestellung des Händlers können direkt für alle Teilnehmer sichtbar gemacht werden. Die Kombination der horizontalen und vertikalen Integration macht es für alle Akteure möglich, sich an Änderungen im Bestellverhalten des Kunden oder sonstige Veränderungen anzupassen. Der aufgezeigte Fall einer USB-Stick-Produktion kann auch auf andere Branchen angewandt werden.

 

Externe Links