Gastwissenschaftler des IoP an der kanadischen University of Alberta
Ulrich Müller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZL, forscht am Lehrstuhl für Technologie der Fertigungsverfahren im Bereich der Schleiftechnik und hatte kürzlich die Gelegenheit, einen Gastwissenschaftleraufenthalt an der University of Alberta (UoA) in Edmonton, Kanada, zu absolvieren und so die bestehenden Verbindungen zwischen RWTH und UoA zu vertiefen.
Bei welchem Forschungsprojekt arbeitest Du, woran forschst Du persönlich?
Meine Projekte sind innerhalb meines Fachbereichs sehr unterschiedlich. Meine Tätigkeit ist ein Mix aus Grundlagenforschung, anwendungsnaher Gemeinschaftsforschung und direkter Beratung unserer Industriepartner im Bereich der Schleiftechnik.
Persönlich forsche ich im Bereich der Schleifbearbeitung von superharten Werkstoffen, wie Diamant und kubischem Bornitrid. Meine Dissertation soll dazu beitragen die Herstellung von Zerspanwerkzeugen und anderen Produkten aus superharten Werkstoffen (Schneidstoffen) effizienter zu machen. Um das zu erreichen, befasse ich mich mit den grundlegenden Mechanismen, die beim Schleifen solcher Werkstoffe in der Kontaktzone zwischen der Schleifscheibe und dem Werkstück auftreten. Durch das so erlangte Wissen kann der Schleifprozess wissensbasiert statt durch Trial-and-Error gestaltet werden.
Wie kam der Gastwissenschaftleraufenthalt zustande, warum Kanada?
Vor etwas über einem Jahre habe ich nach neuen Herausforderungen gesucht, mich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln. Darüberhinaus hatte ich bis dahin zwar viele Länder besucht aber ich bin nie länger als drei Wochen dort geblieben. Daher habe ich nach Optionen für einen etwas längeren Auslandsaufenthalt geschaut, die im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am WZL realisierbar waren. Nach ein paar Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen sowie mit dem damaligen Geschäftsführer des Exzellenzclusters Matthias Brockmann, habe ich mein anfängliches Ziel eines Aufenthalts in den USA verworfen und stattdessen die bestehenden Kontakte zur UoA in Edmonton, Kanada genutzt. Genauer gesagt, hatte meine Kollegin Martina Müller, die momentan an der UoA ist, bereits Gespräche mit Professor Qureshi von der UoA geführt. Martina Müller, ebenfalls vom WZL, forscht im Rahmen des Exzellenzclusters im Bereich des CRD-B2 - Produktionstechnik. Dann war schnell klar, dass Professor Qureshi offen für weitere Kooperationen ist. Zusätzlich besteht zwischen der UoA und der RWTH eine strategische Partnerschaft, so dass Studierende und Promovierende sich auf ein Junior Research Fellowship bewerben können. Ergänzend hat die RWTH als familienfreundliche Universität dazu beigetragen, dass mein 1,5 jähriger Sohn und auch meine Frau mich während meines Auslandsaufenthaltes begleiten konnten. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wie lange warst du dort, was waren deine Aufgaben?
Der Aufenthalt in Kanada dauerte genau drei Monate, von Mitte Februar bis Mitte Mai. In Kanada habe ich an einem Projekt gearbeitet, dass die großvolumige additive Fertigung (3D Druck) von Wachs und Keramik zum Ziel hat. Das Projekt läuft unter dem Titel „The Wax Robot Factory“. Meine Aufgabe war die Bandbreite der kommerziell verfügbaren Systeme für diese Anwendungen der additiven Fertigung zu identifizieren und diese hinsichtlich der Eignung für das Projektziel zu bewerten.
Welchen Gewinn ziehst Du für deine Forschung aus dem Aufenthalt?
Der Gewinn liegt nicht unbedingt im Bereich meiner eigenen Forschung sondern vielmehr darin, transatlantische Beziehungen gestärkt und somit das Potenzial für zukünftige gemeinsame Forschungsprojekte gesteigert zu haben. Mir ist in Kanada aufgefallen, dass Herausforderungen dort durchaus anders angegangen werden als es das bei uns der Fall ist – und das soll nicht wertend sein. Hier in Deutschland sind wir sehr strukturiert und gehen systematisch aber oftmals dediziert bei der Problemlösung vor. In Kanada hatte ich den Eindruck, dass der Netzwerkgedanke im Vordergrund steht und gemeinschaftlich an der Problemlösung gearbeitet wird. Beides bietet Vorteile und das weiß ich nun stärker zu schätzen.
Hattest Du die Gelegenheit, auch in deiner Freizeit Eindrücke zu sammeln und etwas zu erleben?
Da mir von nahezu allen Seiten geraten wurde, die Nationalparks Jasper und Banff mit dem Auto zu bereisen, habe ich bzw. haben wir das auch getan. Die Rocky Mountains umrahmen diese Nationalparks und sind hinsichtlich der spektakulären Dimensionen nicht durch Fotos oder durch Worte zu beschreiben. Während unseres einwöchigen Roadtrips haben wir eine atemberaubende Natur erlebt, die ich so noch nicht erlebt habe. Gerade die Fahrt über den Icefields Parkway war ein einzigartiges Erlebnis. Da im April noch sehr viel Schnee lag und die Seen und Wasserfälle gefroren waren, hatten wir das Glück, dass nur wenige Menschen dort waren. Ich rate allerdings allen, die im Winter dort reisen möchten, sich Spikes unter die Schuhe zu binden.
Anfang Mai, also kurz vor unserer Rückkehr nach Deutschland, waren wir noch ein paar Tage in Vancouver an der Pazifikküste. Da wir bis dahin sehr viel Zeit mit Schnee und Eis in Edmonton verbracht hatten, war die vergleichsweise grüne Stadt eine willkommene Abwechslung. Obwohl wir fast jeden Tag Regen hatten bleibt uns die Stadt in guter Erinnerung. Die Lage am Meer mit den angrenzenden Bergen und der Nähe zur US Stadt Seattle ist etwas Besonderes.
Was waren Deine Highlights?
Meine Highlights waren zuerst die fantastischen Kollegen und Kolleginnen aus der Forschungsgruppe in der ich gearbeitet haben. Daneben ist die atemberaubende Landschaft in den Nationalparks natürlich ein absolutes Highlight. Tatsächlich ist auch die anhaltende Kälte im Frühjahr in Edmonton ein Highlight. In unserem Fall hatten wir im Februar noch kurzzeitig Temperaturen von unter -20 Grad Celsius. Ab Mitte April lagen die Temperaturen dann meist oberhalb der zweistelligen Minusgrade.